Das Duisburger Stadtbad

von der Katastrophenbaustelle zum Jobcenter im modernen Industrie-Chic

Es war ein großes, es war ein sehr emotionales Projekt: Der Umbau des Stadtbades Duisburg zum Jobcenter Duisburg-Hamborn.

Nicht nur, weil so gut wie jeder Duisburger im Stadtbad das Schwimmen gelernt hat. Sondern auch, weil das Projekt aufgrund von vielen kleinen und großen Mängeln zu einer der großen Investitionsruinen des Landes zu werden drohte. Und das, obwohl mit dem Jobcenter eigentlich ein höchst solventer Mieter auf der Matte stand. Im wahrsten Sinne des Wortes: Über 14 Monate harrten die Mitarbeiter des Jobcenters bereits in sechs provisorisch auf dem Gelände aufgestellten Baucontainern aus, weil die Bauarbeiten noch immer nicht abgeschlossen waren.
Aber der Reihe nach.

Das Projekt startete wie so viele: Mit einer ehrgeizigen, aberd traditionsbewussten Stadtverwaltung, großen Plänen und motivierten Mitarbeitern. Ein Gebäudeensemble in industrieller Optik sollte entstehen, eines, das seine Herkunft als öffentliche Badeanstalt nicht verleugnete und doch alle Annehmlichkeiten eines modernen Büros aufzuweisen hatte. Doch während des Baus gingen dem Bauträger die Mittel aus. Nicht einmal, sondern sechsmal. Das Projekt war zwei Jahre nach der vereinbarten Übergabe an die Mieterin immer noch nicht fertig und bereits doppelt so teuer geworden, wie geplant. Die Entwicklungsfirma musste Insolvenz anmelden. Und weil im Jahr 2022 keine Rechnung mehr beglichen werden konnte, ruhte die Baustelle seit März 2022.

Für die Eigentümerin, die Stadtbad Duisburg Gmbh und Ko. KG, war die Situation fatal: Auf 250.000 Euro pro Monat (!) belief sich der entstehende Schaden, zusammengesetzt aus Bereitstellungs- und Überziehungszinsen und den ausbleibenden Mieteinnahmen. Und ohne präsentierbares Ergebnis weigerten sich die Banken, den Kredit weiter zu verlängern. Zu Recht. Denn manchmal benötigt es den Druck der Banken, um ein fast untergegangenes Schiff zu heben.

Im März 2021 bat die private Eigentümerin der Baustelle den Geschäftsführer des Unternehmens dBS Investment GmbH, Matthias Sander, sich das Katastrophenprojekt einmal anzuschauen. Ein Blick auf offene Fußböden und fehlende Treppengeländer, unverlegte Leitungen und große Mengen diffusen Bauschutts, Heizkörper, die Ihren Dienst gegen fehlende Fensteröffnungen erbringen, Wassereintritte an mindestens 10 Teilbereichen und Abstützungen wegen mangelnder Tragfähigkeit genügte: Der ins Auge gefasste Termin für die Bauabnahme – Mai 2021 – war ganz gewiss nicht zu halten, nicht einmal, wenn die Mitarbeiter von dbs-invest dort höchstpersönlich zu Schaufel und Bohrmaschine gegriffen hätte.

Schließlich setzten die Banken einen mächtigen Hebel an und versprachen einen neuen Kredit – allerdings nur für den Fall, dass Matthias Sander das Projekt persönlich übernahm. Mit dem Jobcenter wurde der 6. Nachtrag zum Mietvertrag verabredet. Am 22. Juli 2022 erhielt Sander freie Hand, alles zu tun, was nötig war, um das schwere Schiff wieder in Fahrt zu bringen.

Die Aufgabe war also, das Prestigeprojekt mit einem streng begrenzten Budget erfolgreich abzuschließen – das hieß, alte Forderungen zu bezahlen und teure Zöpfe abschneiden, Banken und Gewerke wieder an einen Tisch zu bringen und zur Wiederaufnahme der Arbeiten zu bewegen, neue Verträge auszuhandeln, mit der DEKRA und der Denkmalschutzbehörde die Arbeiten zu überwachen und vor allem: Auf die Einhaltung des Budgets zu achten.

Dass in 200 Metern Entfernung gelegene Chemiewerk machte die Aufgabe nicht gerade einfacher. Denn auf dem Betriebsgelände werden schwere Kohlenwasserstoffe hergestellt und gelagert. Gäbe es dort eine Havarie, wäre die weitere Nutzung des Stadtbad-Geländes nicht möglich. In einem solchen Fall muss das Gebäude selbst mit seinen drei Bauteilen als Schutzhülle für die Menschen dienen. DIN-Vorschriften gibt es für einen solchen überaus seltenen Fall aber nicht. Die Lösung sind eine Reihe von besonderen technischen Schutzmaßnahmen: Die Lüftungsanlagen schalten sich aus, mehrsprachige Alarme informieren die Menschen im Gebäude über den Notfall, eine dynamische Fluchtwegsteuerung sorgt dafür, dass die Rettungswege angepasst werden und geschultes Personal unterstützt dabei, das die Menschen in ein anderes der drei Gebäudeteile geführt werden, je nachdem, was genau passiert ist.

Um die Vielzahl der Mängel zu beseitigen und die behördliche Freigabe des Gebäudes zu erwirken, musste Sander die Baustelle also – mit Augenmaß, aber schleunigst – wieder anfahren. Eine Aufgabe des Analysierens, Sortierens und Neu-Verpackens. Aufträge wurden neu zugeschnitten und vergeben, alle technische Anlagen wurden in Betrieb gesetzt, alle Schönheitsarbeiten durchgeführt und schließlich auch die Außenanlagen gestaltet.

Mit Erfolg: Am 30. September 2022 konnten alle technischen Einrichtungen in Betrieb genommen werden; am 15.12.2022 wurde das Gebäude seinem Mieter übergeben, um Ausbauten wie die Realisierung der Zugangskontrolle und eines Amokalarms oder die Aufstellung des Büromobiliars vorzunehmen. Am 31. Januar 2023, konnte dann, wie ausgemacht, mit der öffentlichen Nutzung begonnen werden, und seit September 2023 ist das ehemalige Stadtbad der Arbeitsplatz von 180 Jobcenter-Mitarbeitern. Am Tag des offenen Denkmals am 10. September 2023 herrschte großer Andrang der Duisburger, um ‘ihr’ Stadtbad in seinem neuen Glanz zu bewundern.

Auf sein Geheimnis hinter diesem geradezu unglaublichen Ergebnis angesprochen, lacht Matthias Sander. “Ich kann Menschen davon überzeugen, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollen”, sagt er. Anders ausgedrückt: Wo er auftritt, hört man auf ihn. Und da wird aus einem Katastrophenprojekt auch schon einmal einer der Lieblingsorte der Duisburger.

Jobcenter Duisburg Hamborn
Jobcenter Duisburg Hamborn